In Österreich gibt es bisher kaum stabile Strukturen für Rollstuhl-Curling oder Curling für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Das betrifft ganz praktische Dinge wie Zugang zu Ausrüstung oder Trainingszeiten – aber auch größere Fragen: Wer fühlt sich überhaupt eingeladen, Curling auszuprobieren? Wie bleibt man dabei? Und wer begleitet Einsteiger/innen, wenn die üblichen Trainingslogiken nicht passen?
Genau hier setzt das Projekt an. Inklusion war nicht „ein netter Zusatz“, sondern der Ausgangspunkt: Die Teilnehmenden wollten lernen, wie Rollstuhl- und Special-Curling nicht als Randdisziplin, sondern als selbstverständlicher Teil des Breitensports funktionieren kann. Dafür reiste eine Delegation nach Italien – dorthin, wo es bereits gelebte Erfahrung und ein funktionierendes System gibt.
Das Job Shadowing vor Ort war intensiv und sehr praxisnah. Die österreichischen Teilnehmenden beobachteten Trainings beim italienischen Nationalteam, sprachen mit Coaches und Spieler/innen und reflektierten täglich, was sie sehen und was davon in Österreich übertragbar ist. Dieser Dreiklang – zuschauen, verstehen, ausprobieren – war entscheidend. Denn Inklusion lässt sich nicht aus einem Manual lernen. Sie entsteht durch Nähe, durch gemeinsames Tun und durch den Mut, gewohnte Routinen zu hinterfragen.
Eine besonders starke Erfahrung im Zuge der Mobilität war das Mixed-Ability-Training. Also Situationen, in denen Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam auf dem Eis stehen – nicht als „integrierte Sondergruppe“, sondern als Team. Die Teilnehmenden beschreiben, wie normal und zugleich bereichernd das war. Und wie sehr sich dadurch der Blick verschiebt: weg vom Gedanken „wir ermöglichen euch Teilnahme“ hin zu „wir gestalten Curling gemeinsam neu“.
Gleichzeitig zeigte das Mobilitätsprojekt, was es braucht, damit Inklusion im Breitensport nicht bei einzelnen Pilotmomenten stehen bleibt: passende Ausrüstung, barriereärmere Orte, Coaches mit spezifischem Know-how und vor allem klare Wege, wie Menschen mit Behinderungen in Clubs hineinkommen und dort auch langfristig bleiben. Die Delegation kehrte also nicht nur inspiriert zurück, sondern mit sehr konkreten Ideen, wie Training aufgebaut, Kommunikation angepasst und Vereinsstrukturen verändert werden müssen.
Spannend ist auch ein kleiner Widerspruch, der im während der Mobilität sichtbar wurde: Formal nahmen keine Personen mit „fewer opportunities“ an der Mobilität teil. Nicht, weil man niemanden einbeziehen wollte – sondern weil es in Österreich noch kaum Rollstuhl-Curler/innen in Vereinen gibt. Das zeigt ziemlich deutlich, wo Inklusion eigentlich beginnt: oft lange vor der Teilnahme, nämlich beim Aufbau von Zugängen. Erst wenn diese da sind, können Menschen auch wirklich mitmachen.
Und genau deshalb endet das Projekt nicht mit der Reise. Der Abschlussbericht skizziert, wie das Gelernte jetzt in Österreich weiterwirken soll: durch neue Trainingsangebote, Wissenstransfer an andere Coaches, Aufbau einer Mixed-Ability-Plattform, Anschaffung adaptiver Ausrüstung und durch internationale Dissemination. Kurz gesagt: Das Projekt will Inklusion nicht als Event feiern, sondern als Routine verankern.
Warum ist diese Geschichte größer als Curling? Weil sie zeigt, wie Inklusion im Sport gelingt, wenn sie nicht als Sonderfall behandelt wird. Der ÖCV nutzt Erasmus+ nicht, um „ein bisschen inklusiver“ zu werden, sondern um eine Kultur zu verändern. Und das ist vielleicht die wichtigste Botschaft aus dem Bericht: Inklusion wird dann real, wenn sie irgendwann nicht mehr erklärt werden muss – weil sie selbstverständlich geworden ist.