Erasmus und ESK: Meine Story – Gewinner/innen 2022
Mit jedem gefühlten Zentimeter, den ich in die Welt hinaus- und gleichzeitig hineinwachse, scheinen sich die Möglichkeiten zu potenzieren.
Ein Land, über das wir Österreicher:innen alles zu wissen glauben. Dessen Bewohner:innen wir zu kennen glauben, ohne sie kennenlernen zu müssen. Pünktlich und organisiert sollen sie sein, aber humorlos und steif. Die, die wir zufällig kennenlernen, sind "zwar nett, aber das sind wahrscheinlich Ausnahmen“. Eines der wenigen Länder über das ganz Österreich geeint einvernehmlich Witze macht. Deren Gegner:innen wir bei Ländermatches immer automatisch die Daumen drücken. Ein Land, das man eher durchquert als besucht. Es reicht eine ungefähre Vorstellung von diesem Land zu haben. Ja.. Deutschland eben.
Mir hats gereicht. Um über ein Land zu scherzen und schlecht zu reden, brauche ich mehr Gründe als eine ungefähre Vorstellung und vereinzelte Besuche in ausgewählten Städten.
„Auslandssemester“ brachte ich nur mit einem Augenzwinkern über die Lippen. Deutschland und Ausland wiederspricht sich doch schon alleine, weil Deutsch für uns nicht fremd ist. Also kann auch das Deutsch-land nicht richtig fremd sein. „Mutig“, meinten einige Freund:innen etwas belustigt, "Hamburg für ein Auslandssemester". Aber das Gewohnte zu verlassen ist tatsächlich mutig. In ein Land zu gehen, von dem man kein besonders positives Bild vermittelt bekam, ist mutig. Um Mut ging es mir allerdings nicht, denn ein Auslandssemester ist für mich vorrangig keine Mutprobe. Ich will niemandem etwas beweisen, sondern will nur wachsen, damit ich mehr und weiter sehen kann.
Mit Erasmus+ ins Ausland zu gehen, ist bestimmt gut für den Lebenslauf. Aber noch besser ist es für das eigene Selbstverständnis und das Verständnis von Fremdheit, von Zugehörigkeit, von Menschlichkeit. Wer bin ich, wenn niemand aus meinem bekannten Umfeld zusieht? Wer bin ich ohne meine Freund:innen, ohne mein gewohntes soziales Netz? Wer will ich sein, wenn ich mich ganz neu erfinden kann? Und wo ist mein Platz in dieser weiten Welt voller Möglichkeiten? Mit jedem gefühlten Zentimeter, den ich in die Welt hinaus- und gleichzeitig hineinwachse, scheinen sich die Möglichkeiten zu potenzieren. Neue Menschen und Orte mit ihren neuen Ideen zu entdecken und gemeinsam auf neue Ideen kommen - das ist für mich Erasmus.
Die Fragen, die mir über meine Zeit in Hamburg gestellt werden, verlangen nach Wertungen. Was ist schöner, toller, besser? Es geht oft um Be-Wertungen. Aber hier nicht. Mir nicht. Denn vieles hier ist nicht besser oder schlechter, sondern anders. Und noch viel mehr ist gleich. Hamburg war für mich in diesem Moment genau richtig. Es gibt Liebenswürdiges und weniger Liebenswürdiges. Die Menschen dort lachen wie ich und sie lachen viel.
Und ich konnte mit ihnen lachen und endlich nicht mehr nur über sie.
Um meinen Horizont in Sachen interkultureller Bibliotheksarbeit zu erweitern, habe ich beim Erasmus in Finnlands Bibliotheken so einiges dazugelernt!
Finnland, Finnisch & die Immigration
Finnland ist eine sehr junge Nation, das Land wurde erst 1917 von den Russen (davor die Schweden) in die Unabhängigkeit entlassen. Finnland ist offiziell dreisprachig (Finnisch, Schwedisch, Samisch). Schwedisch und Englisch sind Pflichtfächer in der Schule, Samisch wird nur in Lappland gesprochen.
Lange Zeit gab es eine großel Arbeitsmigration nach Schweden, erst seit kurzem ist Finnland ein Einwanderungsland „mit Vorbehalt“. So gibt es „nur“ 8% Migrant:innen in Finnland, 15%ist der Anteil in Helsinki. Eeva (von der Multilingual Library zufolge) gibt es erst seit dem Krieg in der Ukraine eine Willkommenskultur, weil die Finn:innen eine große Empathie zu den Ukrainer:innen zeigen, im Wissen, sie könnten in derselben Situation sein.
Obwohl fast jede:r in Finnland in sekundenschnelle von Finnisch auf ein sehr gutes Englisch switchen kann, sind die meisten Beschriftungen, Informationen etc. in Finnisch und Schwedisch gehalten. Auch manche Homepages sind nur in Finnisch, was das Lernen von Finnisch, wenn man in Finnland leben möchte, unumgänglich macht.
Bibliothekswesen in Finnland
Das Bibliothekswesen in Finnland wurde schon im 19. Jahrhundert gegründet und 1928 mit einem Bibliotheksgesetz versehen, dass bis dato (letzte Überarbeitung 2017) immer wieder aktualisiert und erweitert wird.
So finden sich aktuell nicht nur das ursprüngliche Ziel „Libraries as open places for reading, learning and equality“, sondern auch – basierend auf Gemeinschaft, Pluralismus und kultureller Diversität:
• providing access to materials, information and cultural contents
• maintaining versatile and up-to-date collections
• promoting reading and literature
• providing information services, guidance and support in the acquisition and use of information and in versatile literacy skills
• providing premises for learning, recreational activities, working, and civic activities
• promoting social and cultural dialogue
Neben diesen Punkten ist es die Aufgabe der Bibliotheken, folgendes zu schaffen:
• equal opportunities for everyone to access education and culture
• availability and use of information
• reading culture and versatile literacy skills (wobei mit literacy skills nicht nur das Lesen ansich, sondern auch die Vermittlung von technischen und medialen Grundkenntnissen gemeint ist)
• opportunities for lifelong learning and competence development
• active citizenship, democracy and freedom of expression
Es ist klar ersichtlich, dass Bibliotheken in Finnland ein weit umfassenderes Ziel haben, als „nur“ den Kindern das Lesen und den Menschen Bücher näherzubringen.
Das Gesetz schreibt auch vor, dass es in jeder Gemeinde eine Bibliothek geben muss. Somit kommen die Finnen auf 281 Hauptbibliotheken, 436 Zweigestellen und 135 mobile Bibliotheken (Bücherbusse, die in abgelegene Regionen zu Schulen, Kindergärten/Kindertagesstätten und in Städten auch in Parks und auf Spielplätze fahren). Außerdem haben die Bibliotheken ihre Services gratis anzubieten; kassiert werden nur Verzugsgebühren. In Helsinki gibt es zudem die Order, dass die nächste Bibliothek nur max. 15 Min. von einem Wohnort entfernt sein sollte.
Daneben, überraschend, da Finnisch ja sehr dominant ist und bleiben soll, gibt es die Order, dass jede: Finne:in Bücher in der eigenen Erstsprache lesen können sollte.
Die Bibliotheken in Finnland sind zu 2/3 vom Staat und zu 1/3 von der Gemeinde finanziert. Bei 5,5 Mio. Einwohnern sind das pro Einwohner ca. 60 Euro, die jährlich für das Bibliothekswesen ausgegeben werden. Es gibt pro Einwohner 15,67 Medien und 9,79 Enlehnungen.
Das Bibliotheksgesetz gab lange Zeit vor, dass nur ausgebildete Bibliothekar:innen eingestellt werden dürfen. Das hat sich mit der letzten Gesetzesüberarbeitung verändert, da der dringende Bedarf an technischem und pädagogischen Personal, Jugendarbeiter:innen, Sozialarbeiter:innen erkannt wurde. So wurden in Helsinki in den letzten Jahren keine Bibliothekar:innen, sondern primär Personen mit soeben genannten Berufen eingestellt.
Viele kleinere Bibliotheken sind mittlerweile nur noch Stundenweise mit Bibliothekar:innen besetzt, außerhalb dieser Zeiten können sich die Kunden mittels gesichertem Eintritt (Biblioausweis) selber Zutritt verschaffen und Lesestoff ausleihen. So ist es möglich, auch in kleineren Dörfern und abgelegenen Regionen Bibliotheken zu erhalten.
Bibliotheksangebote
Öffnungszeiten
Die meisten Bibliotheken sind von 8 bis 20 oder sogar 21 Uhr geöffnet, auch am Wochenende (dann evtl. kürzer). Diese Öffnungszeiten ermöglichen es allen ein passendes Zeitfenster für einen ausgiebigen Besuch zu finden.
Medienangebot
Das Angebot der Bibliotheken umfasst nicht nur das „Standardprogramm“ Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, DVDs, Spiele, Hörbücher und eMedien. Es finden sich in jeder Bibliothek PCs, Drucker und gratis WLAN, da in Finnland die Bücherservices online erledigt werden müssen, aber viele nicht über eigene PC/Drucker verfügen. Außerdem finden sich in allen größeren Bibliotheken DIY/maker spaces, mit 3D-Druckern, T-Shirt Printern, speziellen Bildschirmen zum Zeichnen, Nähmaschinen, Bohrmaschinen, Sportgeräte (zB Schneeschuhe, Hanteln, Balanceboards, etc.), Musikinstrumente, etc., die von den Kund:innen ausgeliehen werden können.
Fremd-/Mehrsprachige Medien
Fremdsprachige Bücher gehörten zum Standardprogramm der Bibliotheken. So finden sich in jeder Bibliothek auch Bücher in Schwedisch (zweite offizielle Sprache Finnlands), Englisch, Russisch, Estnisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Arabisch, Farsi, Türkisch, Chinesisch, Somali. Die meisten Bibliotheken haben dann auch noch zahlreiche andere Sprachen verfügbar, für Erwachsene wie auch für Kinder, die dann auch bei der Multilingual Library bestellt werden und für einige Monate in der Bibliothek verbleiben können.
Opi Suoma – Learn Finnish
In jeder besuchten Bibliothek gibt es zwei Regale, die sehr präsent (und nicht im hintersten Winkel zu finden) sind: eines mit Finnischlehrbücher und eines mit Finnisch „easy reader“ – Originale aus dem Finnischen verkürzt, in großer Schrift und Einfacher Sprache.
Ausstattung
Neben dem Medienangebot gibt es in jeder Bibliothek ausreichend Platz zum Lesen und Lernen in der Bibliothek oder in separaten (oftmals auch buchbaren) Reading- oder Studyrooms. Die besuchten Bibliotheken sind durchwegs großzügig geplant, hell, lichtdurchflutet. Das Mobiliar umfasst gemütliche Lesestühle, Schreibtische mit Stromanschluss für Laptops. Die Kinderecken sind durchwegs kindgerecht gestaltet, mit niedrigen Regalen, Teppichen, Räumlichkeiten für Storytelling, Platz für Krabbelkinder, separaten Kinderwagenabstellplätzen und oft auch mit Tischen und (Hoch-)stühlen, Mikrowelle, wo die Kinder verköstigt werden können. WCs und Wickelmöglichkeiten sind überall reichlich vorhanden, wie auch zahlreiche Steckdosen und Handyladeboxen. In den größeren Bibliotheken findet man auch meist ein Café mit günstigem Angebot an Getränken und Snacks.
Die Bibliotheken in Tampere und Oodi haben auch voll ausgestattete, schalldichte Musikstudios, die von Musiker:innen für Aufnahmen gebucht werden können.
Ausstellungen
Wichtig ist den Bibliotheken auch der Platz für wechselnde Ausstellungen von lokalen Künstler:innen, um die Kunst zu den Menschen zu bringen. In Turku gibt es auch Vitrinen, die von „nicht-Künstlern“ gebucht werden können, um zB Sammlungen, Handarbeiten oder Handwerke zu präsentieren.
Veranstaltungen
Beim Veranstaltungsangebot ist es den Bibliotheken wichtig, dass Veranstaltungen stattfinden, sie aber wenig bis keine Arbeit und keinen Aufwand damit haben. So sind Freiwillige, Institutionen und Organisationen eingeladen und willkommen, die Bibliotheksräumlichkeiten zu nutzen und Angebote zu schaffen.
• Bibliothekseinführung für Vorschüler:innen (obligarisch, wird von Bibliothekar:innen gemacht)
• Storytelling, auch mehrsprachig
• Booktalks für Schüler:innen (Schüler:innen sprechen über Bücher und lernen gleichzeitig, wie man vor Publikum spricht)
• Studygroups
• Language Cafés, meist für Finnischlernende
• Newspaper reading and discussing (für Finnischlernende)
• Bookclubs für Erwachsene, auch fremdsprachig (zB Estnisch, der während Covid und dem Wechsel auf Zoom gewachsen sei, da nun auch Personen aus ganz Finnland teilnehmen können)
• Autorenlesungen
• Mehrsprachige Mitarbeiter:innen
In allen besuchten Bibliotheken wurde unisono zugegeben, mehr mehrsprachige Mitarbeiter:innen wären einerseits hilfreich, und würden andererseits auch eine bessere Verbindung zu den Communities darstellen, um noch mehr Leute erreichen zu können.
Bibliotheken in Helsinki
Oodi, Pasila und Espoo sind Teil von HELMET , dem Bibliotheksverbund der Bibliotheken im Großraum Helsinki, dem 37 Bibliotheken und 471 Angestellte angehören. Pasila ist die Hauptbibliothek, Hauptverteilstation und beherbergt die Multilingual Library, während Oodi, die größte und opulenteste der Bibliotheken, „nur“ eine Filiale und die Central Library Helsinkis ist.
Die Bibliotheken haben einen zentralen Einkauf und ein „floating system“. Das heißt, dass die einzelnen Bibliotheken keinen fixen Bestand haben, sondern der Bestand nach ausgeklügelten Algorithmen immer wieder neu in Umlauf gebracht und den verschiedenen Bibliotheken zugeteilt wird. Wird zB in Oodi ein Buch zum Thema Stricken ausgeliehen und in Espoo zurückgebracht, wird das Buch bei der Rückgabe gescannt und der Computer findet heraus, ob Espoo derzeit einen „Mangel“ an Strickbüchern hat und es dort verbleiben soll, oder ob es in die Zentrale kommt und einer Bibliothek zugewiesen wird, die derzeit am wenigsten Bücher zum Thema Stricken aufweist.
Stationen:
17. Juni: Meso Tampere City Library
20. Juni: Oodi Helsinki Central Library
21. Juni: Multilingual Library Pasila (und Hauptbibliothek Helsinkis)
22. Juni: Espoo City Library
23. Juni: Turku City Library
Ins Ausland zu gehen war immer schon ein Muss im hypothischen biografischen Rückblick. Nach absolviertem ESK hat sich an dieser Ansicht nichts geändert.
Während oder nach der Schulzeit im Ausland zu leben, war für mich seit jeher eine Wunschvorstellung. Interkulturelle Erfahrungen, das weiß man, sind ja für vieles nützlich - Lebenslauf, Stärkung einer humanistisch - akzeptanzorientierten Haltung, Erlernen einer Fremdsprache, Resonanzerfahrungen, wenn man sich selbst als Teil in einem weltumspannenden Geschehen begreift - währenddessen sind keine unzumutbaren Herausforderungen zu erwarten. Ergo: Eine gute Kosten-Nutzen-Bilanz!
Jene, die einen solchen Aufenthalt schon einmal absolviert haben, wissen, dass unter den Top 3 der gestellten Fragen immer jene ist, die sich nach dem Ursprung der Ortswahl erkundigt. Spanien. Wieso Spanien? Naja…wie das schon klingt! Südländisch, leicht, verspielt, intense, vielversprechend. Ob meine spanischen Vorstellungen durch Primetime-Movies, Urlaubserzählungen oder aus der Melodie der Sprache genährt und Spanien so zum Sehnsuchtsort auserkoren wurde, weiß ich nicht. Ich selbst war vor meinem 20 Lebensjahr weder in Spanien selbst, noch in Italien oder Frankreich gewesen und hatte wohl weitgehend stereotypische Vorstellungen.
Als ich durch einen Freund im „4YOUgend“ Office in Linz bei Susanne Rossmann landete, wurde es augenblicklich konkret und nach einer intensiven Phase des Engagements entsandte ich die ersten Bewerbungen für ESK Projekte - allesamt situiert in Malaga. Ich wiederhole mich an dieser Stelle: Wie das schon klingt!! MALAGA. Das kann man sich schon auf der Zunge zergehen lassen. Schon vor jeglicher Zusage schloss ich ein Babbel-Abo ab und begann ehrgeizig mit den ersten Lernlektionen. Sieben Bewerbungen und zwei Interviews später, tatsächlich eine Zusage. Für mich unglaublich, ja unfassbar! Ich war überglücklich. Oft sind es an die 100 Bewerber, gerade bei städtischen, beliebten Ausschreibungen. Ein Jahr später, im Oktober 2021 sollte das Projekt beginnen, es gab Schwierigkeiten seitens der spanischen Organisation, auf unbestimmte Zeit verschoben, vielleicht Abbruch. Die zweite Freiwillige und zukünftige Arbeitskollegin sagte das Projekt ab, suchte und fand ein neues in Frankreich. Ich warte, inskribierte mich für Musikwissenschaften in Wien und flog nach Malaga. Im Dezember, ich war in der Prüfungsvorbereitungphase - und dank ermöglichtem Onlineunterricht - in einem Apartment in Nerja, kam die Zusage - das Projekt wurde letzten Endes bewilligt.
Im Februar zog ich in den dritten Stocks jenes Apartments, dass ich fünf Monate später schweren Herzens wieder verlassen sollte. Am meisten liebgewonnen habe ich die spanische Kultur. Überraschenderweise war diese gar nicht so abweichend von meiner romantisch - verklärten Spanien-Fantasie. Andalusische Frauen sind deutlich, emanzipiert, laut. Sie haben ein besonderes Selbstverständnis für ihre Stimme und gutes Körpergefühl. In den Diskos wird richtig getanzt, die Menschen hier sind weniger verlegen um sich und soziale Interaktionen. Die Leute berühren sich am Arm, wenn sie miteinander reden, irgendwie sehr herzlich und angstfrei. Ein gutes Spannungsgefüge aus Verbundenheit und Integrität. Auf den Spielplätzen gibt es eine richtige Community, generationenübergreifende Freundschaften, Großfamilien sind alltäglicher als in Mittel- und Nordeuropa. Weniger Individualismus, mehr Kollektivismus.
Meine Learning experiences waren fast allesamt persönlicher Natur. (Neben dem Erlernen der Sprache - sí, ahora hablo español!) Die südeuropäische Selbstbestimmtheit wurde mir zum Vorbild. Ich versuchte Proaktivität und Verantwortungsbewusstsein zu kultivieren, wobei quasi allein woanders zu leben eh eine gute Ausgangslage für dieses Vorhaben ist. Außerdem lernt man zwar im Lauf der Lebenszeit immer dazu, aber neuropsychologisch betrachtet lernt das Gehirn dann am schnellsten, wenn man sich in herausfordernden, teilweise überfordernden Umständen befindet. Und die kommen auch dann eher zustande, wenn man aus der Komfortzone tritt. Auch gibt es mehr neue Situationen, aus denen man Selbsterkenntnis ziehen kann. Ganz konkret konnte ich meinen pragmatischen Zugang stärken. So wurde nach emotional herausfordernden Situationen immer ein Notizblöckchen gezückt und im Sinne des derzeitigen pädagogischen Forschungsstandes ein analytisch-formatives Feedback durchgeführt: Was machte ich gut? Was ist ausbaufähig? Diese zwei Fragen dienten als Anhaltspunkt, konnten die emotionalen Wogen glätten und Besonnenheit walten lassen.
Ich will die Erfahrung nicht missen, bin sehr stolz auf mein erreichtes Spanisch-Level und dass ich mir viele einheimische Freunde machte. Ich vermisse Malaga nicht direkt aber manchmal zieht sich meine Brust in Wehmut zusammen und irgendwann gründe ich eine Familie in Spanien, falls sich der passende Mann findet, mal schauen. Ich studiere jetzt auch spanisch.
Mein Plus von Erasmus+ : die Menschen, die ich kennenlernen dürfte.
Die Jugendbegegnungen, zumindest die, an denen ich bisher teilgenommen habe, sind mir sehr ans Herz gewachsen. Es gibt keine einzige, die mir nicht gefallen hat. Nicht alles war perfekt, aber sie kommen der Perfektion ziemlich nahe.
Die Teilnahme machte mich aus zwei Gründen sehr glücklich. Erstens die Themen, mit denen ich mich auseinandergesetzt habe und zweitens die Menschen, die ich kennenlernen dürfte.
Irgendwie finden die Themen immer Anklang bei mir. Ich habe bisher an vier Jugendbegegnungen mit folgenden Themen teilgenommen: Nachhaltigkeit, Inklusion und Kunst und Tanz als Mittel für Inklusion. Das Thema Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln war für mich wichtig, weil ich dadurch verstanden habe, dass bei der Lebensmittelproduktion etwas nicht stimmt, dass es nicht wirklich ein Gleichgewicht gibt.
Ich erinnere mich, dass wir unter anderem in zwei Gruppen aufgeteilt wurden (Fleischesser und Vegetarier/Veganer) und darüber diskutieren mussten, was besser ist und warum. Das erste mal stand ich nur da und schaute schweigend zu, weil ich zu schüchtern war und nicht wusste, wie man diskutiert.
Die Jugendbegegnungen, die sich mit Inklusion befassten waren für mich die wichtigsten, weil ich mit viel Rassismus und Mobbing zu kämpfen hatte, als ich nach Österreich zog.
Ich habe tolle Leute kennengelernt, kein Projekt ist da eine Ausnahme, ich habe es geschafft, mich mit allen Projektteilnehmern anzufreunden. Wir kamen uns wirklich nahe und fingen beim Abschien an zu weinen.
Ich möchte noch das Projekt erwähnen, das am 24. Oktober endete, Let´s Dance together. Dieses Projekt hat mir geholfen, mich mehr zu öffnen und selbstbewusster zu werden. Denn vor diesem Projekt habe ich gesagt, dass ich nie wieder tanzen werde, weil ich in der Schule dafür ausgelacht wurde, als ich jünger war. Aber in einer Woche schafften sie es nicht nur, dass ich wieder tanzen konnte, sondern auch, dass ich vor anderen Leuten tanzte, und wir hatten am Ende des Projekts eine Tanzaufführung im örtlichen Park. Ich habe Breakdance getanzt und wurde von einem professionellen Breakdancer unterrichtet, der ein toller Typ ist und mit dem ich viele Interessen teile.
Und das war das erste Projekt, bei dem ich Teamleiter war. Lustigerweise bin ich während meines ersten Projekts zu dem griechischen Teamleiter gegangen und habe gesagt: "Ich wette mit dir um 50 Cent, dass ich eines Tages Teamleiter sein werde", und zu meiner Überraschung ist es tatsächlich passiert.
Was nicht so toll ist, ist das Ende einer Jugendbegegnung. Drei von vier Projekten fanden in der Stadt statt, in der ich wohne, und deshalb musste ich nach dem Projekt beim Aufräumen helfen. Das Aufräumen macht mir nichts aus, aber es ist immer sehr emotional, so dass ich anfange zu schluchzen … Weil es an jeder Ecke schöne Erinnerungen gibt. Und hinterher aufzuräumen ist wie das Eingeständnis, dass sie vorbei sind.
Ich glaube, ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt. Abschließend möchte ich sagen, dass ich all diese Projekte geliebt habe. Sie sind zu einem Teil von mir geworden und ich kann es kaum erwarten am nächsten teilzunehmen.
Vom 3.10. bis 04.12 2021 arbeitete ich in einer Dienst- und Hilfsorganisation für Menschen mit Behinderung: im L’Arche les trois fontaines in Hauts-de-France:
Das Zeugnis da, die Note schlecht,
Französisch- kann man das lernen, echt?
Bonjour, Salut, Café au lait,
Jedes Wort tut einfach weh,
Dann die Idee nach Frankreich zu gehen,
Erasmus macht es möglich, mehr von der Welt zu sehen.
Leute und Land erleben,
Dabei arbeiten und die Sprache lernen, mal so daneben.
Die Idee geboren,
alsbald eine Sozialeinrichtung auserkoren.
Die Kontaktaufnahme: gar nicht leicht
Schon da lerne ich, dass die eigene Kultur alleine nicht reicht
Schlussendlich ist es dann gelungen
2 Monate mit anderen Jungen
Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in einem Heim
darf ich arbeiten und Putzfee sein.
Ich fahr nach Ambleteuse-
aufgeregt und sehr nervös.
Die Leute dort versteh ich kaum,
Eine Erfahrung wie im ärgsten Traum
Jeder Tag ganz neu und fremd,
weil mich auch noch keiner kennt.
ich lerne viel, nicht nur die Sprache,
über mich, andere Menschen, darüber hinaus, was ich gerne mache
ganz neu für mich, ich lebe am Meer
auch das Essen ganz anders, das gibt was her.
vermisse doch so allerlei,
aber ich fühle mich andererseits auch richtig frei!
wie cool einmal von zu Hause weg zu kommen,
neue Wege und Hürden werden erklommen.
meine Nase in die Welt zu halten,
mich ein Stückchen neu zu entfalten.
So eine Unabhängigkeit zu spüren.
Das öffnet einfach viele Türen!
Dann plötzlich sind 2 Monate vorbei:
Schon wieder heim, kann das denn sein?
So viel kann man in kurzer Zeit erleben,
man darf halt nicht an der Routine kleben.
Französisch ist und bleibt ein harter Brocken,
immerhin kann man mir doch jetzt etwas mehr entlocken.
Danke Erasmus für diese Chance
Eine Erfahrung made in France!
Wie sich sein Leben während eines einmonatigen Auslandsaufenthalts entwickelt: Von den neuen Gesichtern am ersten Tag bis zum Abschluss seines "zweiten Lebens".
Ich bin 16 Jahre alt und habe bei einem Schüleraustausch, welcher mir von einer Bekannten empfohlen wurde, teilgenommen. Während meiner Zeit in Frankreich habe ich fleißig Tagebuch geschrieben, wobei ich vor allem den ersten und letzten Tag herausheben möchte:
Tagebucheintrag (1. Tag):
Heute war mein erster Schultag in Frankreich: Nach einer etwas längeren Busfahrt waren wir schon eine halbe Stunde vor Schulbeginn in der Schule, um mir einen Pass für Austauschschüler und den Stundenplan zu holen. Gleich in der ersten Stunde lernte ich eine Gruppe Mädchen kennen, sie waren sehr nett und haben mich sofort in ihrer „Gruppe“ aufgenommen. Sie freuten sich riesig nun eine Austauschschülerin in der Klasse zu haben und nahmen sich Zeit mir das Schulsystem zu erklären und mir sowohl die Klassenräume als auch die Kantine zu zeigen. Die gesamte Klasse war sehr interessiert an den Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden zwischen Österreich und Frankreich und auch die Lehrer stellten mir immer wieder Fragen. Ich konnte mich trotz anfänglicher Befürchtungen gut auf Französisch unterhalten und ich fühle mich, soweit ich das am ersten Tag schon sagen kann, sehr wohl hier.
Tagebucheintrag (letzter Tag):
Jetzt ist es offiziell! Die Zeit in Frankreich ist vorbei. Ich glaub es war einer der besten Monate meines Lebens, ich habe so viele großartige Leute kennengelernt, wahre Freundschaften geschlossen, einen Einblick in andere Kulturen und Bräuche bekommen und natürlich mein Französisch verbessert. Der Abschied heute in der Schule war sehr schwer, auch wenn ich mich schon auf meine Familie und Freunde in Österreich freue, war es hart meinem Leben in Frankreich „tschüss“ zu sagen.
Rückblickend bin ich sehr glücklich, dass ich es gewagt habe diesen Austausch zu machen und würde es jederzeit wieder tun. Ich habe gelernt auf fremde Leute zuzugehen, keine Hemmungen zu haben neue Bräuche bzw. fremdes Essen auszuprobieren und das es einem nicht peinlich sein muss eine fremde Sprache zu sprechen, auch wenn man sie noch nicht perfekt beherrscht, denn letztendlich geht es nur darum, dass man sich mit anderen Menschen unterhalten kann und man somit seinen Horizont erweitert.
"Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen." (Walt Disney) Ein solcher Traum war mein Erasmus+-Semester in Bologna.
Mein Name ist Elena, ich bin 25 Jahre alt, bin schwer sehbehindert und auf den Rollstuhl angewiesen. Diese Umstände hinderten mich jedoch keineswegs daran, mir meinen Lebenstraum, von einem Auslandssemester in Italien zu erfüllen. Dieser Schritt ist für ausnahmslos jede/n eine Herausforderung, ganz egal ob mit, oder ohne Behinderung, oft vergleichbar mit dem alt bekannten “Sprung ins kalte Wasser”. Rückblickend steht für mich jedoch eines fest: diese Erfahrung hat mein Leben positiv verändert und beeinflusst und mir gezeigt, dass man auch im Alter von 20 (Sommer 2017) noch ein ganzes Stück wachsen kann.
Dazu später mehr, denn eines fragt ihr euch bestimmt schon lange: Warum gerade Italien und warum Bologna? Hier kommt die Antwort: Mit dem Beginn des Sprachunterrichts in der Unterstufe, war für mich sofort klar später einmal Italienisch studieren zu wollen. Ich hatte mich, aus einem mir unerklärlichen Grund immer mehr in diese Sprache verliebt. Obwohl meine Muttersprache Deutsch ist, fühle ich mich manchmal vom „Italienischen Klang“ wie in den Bann gezogen. Dies liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich, neben meiner Gehbehinderung, auch schwer sehbehindert bin und mir vor allem die verschiedenen Tonlagen der Menschlichen Stimme als Interpretations- und Orientierungshilfe dienen. Italienisch ist eben eine Sprache die, meiner Meinung nach, von ihrer Melodie lebt. Mit ebendieser immer mehr steigenden Affinität, wuchs natürlich auch der Wunsch dieses schöne Land noch besser kennenzulernen.
Entscheidend war hier auch die Erziehung, die ich genossen habe - und ich danke an dieser Stelle ganz herzlich meinen Eltern - denn diese folgte immer dem Motto „Geht ned?! Gibt’s ned!“, welches mit dem Titel dieses Buches gleichzusetzen ist, und eben dieses Lebensphilosophie sollte sich in den folgenden Monaten alle Ehre machen.
Dem tatsächlichen „Erasmus-Abenteuer“ ging nämlich eine lange Recherche-, aber auch Übungsphase voraus, denn hinsichtlich meiner “Mission”, die von Jänner bis Juli 2017 andauern sollte, war es uns allen sehr wichtig zu wissen, dass ich im Notfall auch alleine überall zurechtkommen würde. Ich bin aber dennoch sehr dankbar, dass mir eine Assistentin, zumindest für ein paar Stunden täglich, zur Seite stand.
Gewachsen bin ich nicht nur an all den neuen Eindrücken, die eine solche Reise mit sich bringt, sondern auch an der zuvor nötigen Organisation, welche immenses Durchhaltevermögen verlangt. Hierbei konnte ich, unter anderem, auf die Unterstützung seitens der Lehrenden meines Studiengangs zählen und es ist genau diese Art von Zusammen- und Rückhalt, die mir immer wieder beweist, dass auch die Entscheidung für ein Studium eine Herzensangelegenheit sein sollte, so wie es bei mir der Fall war und ist.
Nach langen Gesprächen und Evaluierungen fiel die Wahl schließlich auf die Universität Bologna, und ich entschloss mich, dieser geschichtsträchtigen Stadt und Bildungseinrichtung baldest möglich einen Besuch abzustatten und nutzte dafür die Sommerferien. Es war schon damals ein unbeschreiblich schönes Gefühl meinem Ziel ein kleines, aber spürbares Stück näher gekommen zu sein.
Unter anderem ergriff ich also die Möglichkeit mich dem Servizio Studenti Disabili – UniBo“ (Service für Menschen mit Behinderung der Universität Bologna) gebührend vorzustellen und wurde dort sehr herzlich empfangen, sowie beraten. Man spürte von Anfang an ein freundschaftliches, gar familiäres Klima, welches sich folglich, während meines Aufenthaltes, bewahrheiten sollte. Auf meinen Tutor, sowie meine Alltagsassistentin und meinen Physiotherapeuten, war immer Verlass und heute sind wir sehr gute Freunde, die sich regelmäßig, um an das gemeinsame Abenteuer zurückzudenken und in die (gemeinsame) Zukunft zu schauen.
Natürlich gab es, wie immer im Leben, ein paar Hochs und Tiefs, aber ich möchte diese Erfahrung auf gar keinen Fall missen. Es ist mir sogar ein großes Anliegen viele dazu zu ermutigen diesen Schritt zu wagen, weshalb auf ein erfolgreich absolviertes Auslandssemester meine Bewerbung als Referentin für Barrierefreiheit an der ÖH Uni Graz folgte.
In dieser Position fühle ich mich nun schon seit Ende desselben Jahres sehr Wohl, arbeite mit einigen Organisationen zusammen, wie zum Beispiel dem OEAD (Erasmus Network Austria), oder den diversen Anlaufstellen der Uni Graz, die mich auf meinem Weg nach Bologna tatkräftig unterstützt haben.
Meine (Lebens)aufgabe sehe ich darin auch meine Mitmenschen zu Großem zu ermutigen und sie nach bestem Wissen und Gewissen bei ihrer Verwirklichung zu unterstützen, denn gemeinsam ist so vieles leichter als alleine.